Digitale Souveränität: Podium mit Matthias Stürmer und Chrisian Laux

Am 11. Juni 2025 fand im Casino Bern ein Podium zu digitaler Souveränität statt. Die Diskussion zeigt den grossen Handlungsbedarf in vielen Digitalprojekten auf. Matthias Stürmer von der Berner Fachhochschule sprach sich für mehr staatliche Massnahmen aus, etwa zur Förderung von Open Source Software. Dagegen betonte Christian Laux von der Swiss Data Alliance, dass der Staat nur eingreifen sollte, wenn es sich um systemisch wirkende Ereignisse handelt, die den Staat als Ganzes betreffen. Die Swiss Data Alliance fordert einen Dialog mit allen Stakeholdern, um die langfristigen Ziele der Digitalisierung in der Schweiz zu erarbeiten.

Die Mehrheit der Themen, die Matthias Stürmer und Christian Laux im Verlauf des Podiums diskutierten, fielen in den Bereich der digitalen Alltagsgestaltung. Dazu gehört Zielklarheit bei IT-Projekten und ein verantwortungsvoller Umgang mit Daten und Technologien («den Laden im Griff haben»). Diese Themen sind wichtig, fallen in der Sichtweise der Swiss Data Alliance aber in die Zuständigkeit der jeweils betroffenen Akteuren – unabhängig davon, ob es sich um eine Behörde, ein Unternehmen oder eine Einzelperson handelt.

Kontrolle, Sicherheit und Resilienz statt «Unabhängigkeit»

Kritisch sieh die Swiss Data Alliance auch den Begriff der «Unabhängigkeit», der im Zusammenhang mit digitaler Souveränität oft fällt. So wies Christian Laux darauf hin, dass die Reduzierung der einen Abhängigkeit oftmals zu einer anderen Abhängigkeit führt. Der Begriff sei zu vage und kein messbares Rechtskriterium für Beschaffungsentscheidungen einer Behörde.

Stattdessen liege der Fokus der Swiss Data Alliance auf der Gewährleistung von Kontrolle und Resilienz in der Alltagsgestaltung. Christian Laux betonte, dass technische Systeme ordnungsgemäss gebaut werden müssen und die Sicherstellung der Verfügbarkeit das Hauptziel ist. Matthias Stürmer argumentierte, dass ein schlecht oder unsicher gebautes System sich nicht verbessert, nur weil es redundant gebaut ist. Beide Redner waren sich jedoch einig, dass die Handlungsfähigkeit des Staates durch die Nutzung robuster und sicherer digitaler Infrastrukturen gewährleistet werden muss. Die gründliche Analyse von Lösungen vor ihrer Freigabe ist entscheidend.

Staatliche Verantwortung und Governance

In seiner Moderation skizzierte Marc Steiner vom Bundesverwaltungsgericht die für die Digitalisierung notwendigen Technologien als «Infrastruktur» analog zu verstaatlichten Sektoren wie Elektrizität und Strassenverkehr. Dagegen betonte Christian Laux, dass digitale Souveränität nicht primär mit der Frage zu tun hat, wer ein System betreibt, sondern ob das System sicher, aktuell und kontrolliert ist – unabhängig davon, ob es von einem ausländischen oder Schweizer Unternehmen oder von einer Verwaltungsstelle betrieben wird.

In ihren Publikationen zur digitalen Souveränität hat die Swiss Data Alliance ein Prüfmodell entwickelt, das den Begriff völkerrechtlich und damit sehr eng definiert: Die digitale Souveränität ist dort betroffen, wo digitale Vorgänge einen Einfluss auf das schweizerische Territorium entfalten und die Schweiz als Staat institutionell betroffen ist. Es geht also um systemisch wirkende Ereignisse, die den Staat als Ganzes betreffen.

Die Swiss Data Alliance argumentiert, dass der Staat aktiv werden und gestalten muss, wo Einzelpersonen oder Unternehmen von digitalen Herausforderungen überfordert sind und dies Auswirkungen auf die Staatlichkeit hat. Eine solche Rolle kann auch ausgelöst werden, wenn der Staat eine entsprechende «Garantieverantwortung» (eine entsprechende Verfassungsbestimmung) übernommen hat.

Im digitalen Bereich kommen grosse Herausforderungen auf die Schweiz zu, sagt Christian Laux – deshalb sei es zentral, den Begriff der Souveränität nicht zu verwässern, sondern die fortgesetzte oder verbesserte Handlungsfähigkeit des Staates sicherzustellen. Dies bedeutet, dass der Staat die Fähigkeit haben muss, seine Kompetenzen international zu definieren und seine internen Angelegenheiten zu gestalten und zu verteidigen. In der Schweiz ist die Komplexität eher noch grösser, da «nationales Interesse» auch in der Zuständigkeit der Kantone liegen könnte. Es könnte sogar sein, dass das Vorhaben einer grossen Stadt (Genf) einmal von nationaler Wichtigkeit wird.

Bedarf an klarem Diskurs und präzisen Definitionen

Die Swiss Data Alliance setzt sich für einen klaren und transparenten Diskurs über digitale Souveränität ein. Wie Christian Laux mehrfach betonte, sind die Aussagen im Diskurs oft abstrakt. Er forderte grössere Spezifität: «Man muss konkrete Anwendungsfälle prüfen und sich über deren Ziele im Klaren sein. Typische Ziele sind Geschäftskontinuität, Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Performanz. Daraus können dann Lösungen abgeleitet werden.»

Ein Gast aus dem Publikum brachte die intuitive Idee vor, dass der Staat Daten, die auf einem Schweizer Server gespeichert sind, zumindest mittels Justiz oder seines Gewaltmonopols zurückgewinnen kann. Die SDA-Position geht jedoch darüber hinaus: Kontrolle leitet sich nicht allein vom physischen Standort ab.

Ein weiterer Gast im Publikum warf die Frage nach der Rolle der künstlichen Intelligenz (KI) in sensiblen Bereichen wie der Gerichtsbarkeit auf. Christian Laux schlug vor, dass zwei Faktoren relevant sind: Menschen und gute Governance. Marc Steiner betonte weiter, dass KI in der Rechtsprechung und an den Gerichten einer Governance unterliegen muss, die sicherstellt, dass letztendlich Menschen Entscheidungen treffen. Das zugrundeliegende Regulierungsmodell könnte wie folgt zusammengefasst werden: Trotz technologischer Fortschritte müssen menschliche Kontrolle und Rechenschaftspflicht aufrechterhalten werden, insbesondere in systemrelevanten Bereichen.

In seinem Schlusswort betonte Marc Steiner, dass Themen des Daten- und Informationsschutzes sowie des Öffentlichkeitsprinzips zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Wenn Putin im Osten der Grund dafür gewesen sei, dass Europas Gasversorgung als Problem erkannt wurde, so sei Trump im Westen dafür verantwortlich, dass Europas Technologieversorgung endlich als Problem erkannt werde.

Marc Steiner rundete diese Bemerkungen wie folgt ab: «Vergessen wir nicht: Was wir auch wollen, ist Rechtsschutz. In einem Rechtsstaat sollen auch diejenigen, die als unsympathisch wahrgenommen werden, die Möglichkeit haben, Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Wenn wir den Rechtsstaat nur dann gut finden, wenn uns die Leute sympathisch sind, dann haben wir die Logik des Rechtsstaates nicht verstanden.»

Es braucht den pluralistischen Dialog

Der Podiumsbeitrag der Swiss Data Alliance unterstreicht die Überzeugung, dass digitale Souveränität aktive Gestaltung erfordert. Ziel ist es, Klarheit zu schaffen und dem Staat zu Handlungsfähigkeit zu verhelfen oder seine Handlungsfähigkeit zu erhalten.

Die Swiss Data Alliance betont, dass die Schweiz eine eigene Definition von digitaler Souveränität benötigt und diese nicht einfach von anderen Ländern «kopiert» werden kann. Dieses autonom entwickelte Verständnis muss den politischen Diskurs prägen.

Die Schweiz muss in einem pluralistisch geführten Dialog mit allen Stakeholdern die Bereiche erarbeiten, in denen sie Handlungsfähigkeit beansprucht. Dieser Ansatz unterscheidet politische Instrumente von rechtlichen Anforderungen. Er soll sicherstellen, dass die Schweiz ihre digitale Zukunft selbstbestimmt gestalten kann. Rein wirtschaftspolitischen Förderungsmassnahmen steht die Swiss Data Alliance skeptisch gegenüber.

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