Data-Sharing-Initiativen und Datenräume in der Schweiz

Eine neue Studie der Berner Fachhochschule im Auftrag der Swiss Data Alliance und digitalswitzerland zeigt, dass in der Schweiz zwar über hundert Initiativen zum Datenaustausch bestehen, ihr volles Potenzial aber bei weitem nicht ausgeschöpft wird. Entscheidend für den Erfolg sind der Fokus auf konkrete Anwendungsfälle, verlässliche Rahmenbedingungen sowie die Qualität der Daten. Die Studie identifiziert fünf Schlüsselfaktoren, um das Teilen von Daten zu fördern und somit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zu stärken.

In der Schweiz sind bereits über 100 Daten-Sharing-Initiativen aktiv, wovon ein grosser Teil in öffentlich-rechtlichen oder stark regulierten Sektoren wie der Forschung (Open Science), der öffentlichen Verwaltung oder dem Gesundheitswesen angesiedelt ist. Die Beteiligung des Privatsektors wird hingegen als unzureichend eingeschätzt, was auf ungenutzte Potenziale oder mangelndes Wissen über bestehende Initiativen hindeuten könnte.

Datenqualität und langfristige Finanzierung als Herausforderung

Die grösste Herausforderung, die von über 80% der befragten Initiativen als «sehr bedeutend» eingestuft wird, ist die Datenqualität. Weitere zentrale Hürden umfassen die Sicherstellung des Betriebs, die Datensicherheit und Compliance, die Interoperabilität sowie der Aufbau von Vertrauen. Das grösste langfristige Hindernis stellt die nachhaltige Finanzierung dar. Während die meisten Initiativen derzeit auf strukturierten Sachdaten basieren, bleibt das enorme Potenzial personenbezogener und unstrukturierter Daten, die für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) entscheidend sind, weitgehend ungenutzt. Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, sind eine verstärkte Zusammenarbeit, die Durchführung von Pilotprojekten, die den Nutzen aufzeigen, sowie finanzielle Anreize notwendig. Insbesondere im Privatsektor ist die Incentivierung oft wichtiger als die blosse Vertrauenswürdigkeit, um Unternehmen zur Teilnahme an Datenökosystemen zu bewegen.

Das Schweizer Datenökosystem verfolgt das ehrgeizige Ziel, die Mehrfachnutzung von Daten durch Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Öffentlichkeit in einem vertrauenswürdigen Rahmen zu fördern. Dieses Vorhaben, vom Bundesrat beauftragt und von der Digitalen Verwaltung Schweiz (DVS) umgesetzt, konzentriert sich auf die Entwicklung einer übergreifenden Architektur, Governance-Regelwerke und rechtlicher Grundlagen, die durch konkrete Prototypen validiert werden sollen.

Fünf Faktoren für ein erfolgreiches Schweizer Datenökosystems

  • Erstens gilt es, ein gemeinsames Verständnis für Datenökosysteme und deren Nutzen bei allen Akteuren, insbesondere in Politik und Öffentlichkeit, zu schaffen.

  • Zweitens muss der Mehrwert durch konkrete, wertschöpfende Anwendungsfälle aufgezeigt werden, die von Unternehmen, Verwaltungen oder Forschungsinstitutionen getragen und als Dienstleistungen umgesetzt werden.

  • Drittens ist es entscheidend, Daten als Produkte zu betrachten, die für die Nutzenden sichtbar, zugänglich und in standardisierten sowie interoperablen Formaten verfügbar sind, einschliesslich harmonisierter semantischer Beschreibungen (Metadaten).

  • Viertens müssen vertrauenswürdige Basisinfrastrukturen für Daten und digitale Identitäten aufgebaut werden, die grundlegende Daten wie Geo- und Registerdaten sowie eine sichere digitale Identifikation von Organisationen und Personen ermöglichen.

  • Fünftens bedarf es langfristig zuverlässiger rechtlicher, finanzieller und technischer Rahmenbedingungen, die es den beteiligten Akteuren erlauben, sich auf verbindliche Regeln für ihre Zusammenarbeit zu verständigen und eine nachhaltige Finanzierung sicherzustellen.

Um diese Erfolgsfaktoren zu verwirklichen und ein florierendes Datenökosystem zu ermöglichen, schlägt die Studie konkrete Empfehlungen vor. Es ist von grösster Bedeutung, in Datenkompetenzen und -bildung zu investieren, insbesondere durch die Ausbildung von Data Stewards, die als wichtige Vermittler zwischen Datenanbietenden und -nutzenden fungieren. Parallel dazu sollte ein «Radar Datenökosystem Schweiz» für ein regelmässiges Monitoring des Fortschritts eingerichtet werden, um erfolgreiche Initiativen und deren Nutzen sichtbar zu machen.

Spezifische Anwendungsfälle im Zentrum

Ein pragmatischer, anwendungsfallgetriebener Ansatz ist zu verfolgen, indem Datennutzende bei der Entwicklung und Validierung von Prototypen unterstützt werden, die einen klaren Mehrwert demonstrieren. Hierbei ist die Erforschung und Entwicklung effektiver Incentivierungsmodelle für Datenanbieter entscheidend, sei es durch finanzielle Anreize, Reziprozität (Zugang zu Daten anderer Organisationen) oder den Zugriff auf Analysen, die aus den geteilten Daten gewonnen werden. Zudem sollte das Konzept der Data Commons gefördert werden, um die gemeinsame Pflege und Nutzung von Daten als Gemeingut zu stärken, wobei eine Governance sicherzustellen ist, dass Beiträge und Erträge fair verteilt werden und Missbrauch verhindert wird.

Technisch ist die Festlegung von Standards für Metadaten unerlässlich, die eine präzise Beschreibung von Datenprodukten einschliesslich Qualitätsaspekten und Nutzungsbedingungen ermöglichen. Ergänzend dazu ist die Automatisierung der Data Governance durch Konzepte wie «Data Contracts» voranzutreiben, die als maschinen- und menschenlesbare Vereinbarungen die Qualität und Struktur von Datenprodukten definieren und so einen verlässlichen Datenaustausch gewährleisten.

Es braucht eine digitale Basisinfrastruktur

Prioritäre Investitionen sind in eine nationale digitale Basisinfrastruktur (Digital Public Infrastructure, DPI) für grundlegende Daten wie Geo- und Registerdaten zu tätigen, die als öffentliches Gut für Innovation dienen soll. Gleichzeitig ist die Entwicklung digitaler Identitäten für Organisationen aufbauend auf bestehenden Vertrauensinfrastrukturen wie der E-ID von hoher Bedeutung, um die Identifikation und Authentifizierung in Datenräumen zu vereinfachen und das Vertrauen zu stärken. Schliesslich muss eine robuste Community der Schweizer Daten-Sharing-Initiativen aufgebaut werden, um die Vernetzung zu stärken und gemeinsame politische Interessenvertretung zu ermöglichen.

Eine umfassende nationale Datenstrategie mit klaren Zielen und einem Fahrplan für die langfristige Entwicklung des Datenökosystems ist unerlässlich. Hierfür müssen, analog zu den Datengesetzgebungen der EU (Data Governance Act, Data Act etc.) geeignete rechtliche Grundlagen für die Datennutzung geschaffen oder angepasst werden, insbesondere bezüglich der Sekundärnutzung personenbezogener Daten. Und nicht zuletzt ist eine langfristige, ganzheitliche Finanzierung der Dateninfrastrukturen sicherzustellen, möglicherweise durch einen dedizierten Dateninfrastrukturfonds, um eine ineffiziente Zersplitterung der Mittel zu vermeiden.

Die Etablierung eines vertrauenswürdigen und funktionierenden Datenökosystems in der Schweiz ist eine komplexe, aber unerlässliche Aufgabe, die eine nachhaltige Zusammenarbeit aller Sektoren erfordert, um das volle Potenzial der Digitalisierung zum Wohle der Gesellschaft zu entfalten

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Geodaten als Basis für vertrauenswürdige Datenräume