Die E-ID stärkt die digitale Selbstbestimmung

Analoge Garantien in der E-ID-Debatte: Ein Perspektivenwechsel

Kaum ein Thema in der aktuellen Abstimmungsdebatte zur E-ID wird so intensiv diskutiert wie die Frage nach analogen Alternativen. Gegnerinnen und Gegner monieren, dass es im Gesetz keine Garantie gibt, wonach staatliche und private Dienstleistungen dauerhaft auch ohne E-ID zugänglich bleiben. Die Befürchtung lautet: Wenn der analoge Weg wegfällt, droht Ausgrenzung und ein schleichender Zwang zur Nutzung der elektronischen Identität.

Diese Sorge verdient es, ernst genommen zu werden. Und doch lohnt es sich, genauer hinzusehen – nicht nur auf die Details, sondern auch auf das grössere Bild.

Wer ist heute schon ausgeschlossen?

Oft entsteht in der Diskussion der Eindruck, als sei die analoge Welt der Garant für Inklusion. Doch das stimmt nicht. Schon heute sind viele Menschen im Analogen ausgeschlossen:

  • Menschen mit Behinderungen, die auf digitale Hilfsmittel angewiesen sind und denen rein papierbasierte Verfahren enorme Hürden bereiten.

  • Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die häufig auf digitale Wege zurückgreifen müssen, um am gesellschaftlichen und politischen Leben in der Schweiz teilnehmen zu können.

  • Personen mit besonderen Bedürfnissen, die gerade durch digitale Services erst Zugang zu Leistungen erhalten.

Wenn wir also von Ausgrenzung sprechen, dürfen wir nicht übersehen, dass die vermeintlich «alte, sichere Welt» längst ausgrenzt. Die digitale E-ID kann hier neue Türen öffnen. 

Recht auf Analoges oder auch ein Recht auf Digitalisierung?

Das Argument, der analoge Weg müsse für alle Zeiten garantiert bleiben, wirft eine grundsätzliche Frage auf: Brauchen wir wirklich ein gesetzlich verankertes «Recht auf Analoges»?

Gibt es auf der Welt Verfassungen, die garantieren, dass jede technische oder gesellschaftliche Errungenschaft für immer neben neuen Entwicklungen bestehen muss? Technologischer Wandel war stets Teil unserer Gesellschaft – vom Buchdruck über die Eisenbahn bis zum Internet.

Wenn wir heute ein Recht auf den analogen Weg fordern, sollten wir im selben Atemzug auch über ein Recht auf Digitalisierung sprechen. Über den Anspruch derjenigen, die gerade in der analogen Welt ausgeschlossen sind und digitale Zugänge dringend benötigen. Diese Perspektive fehlt in der Debatte bislang fast vollständig.

Der «schleichende Zwang» – Realität oder Schreckgespenst?

Kritiker warnen vor einem «schleichenden Zwang». Die Sorge ist nachvollziehbar: Wenn immer mehr Dienste nur noch digital verfügbar sind, entsteht faktisch ein Druck zur Nutzung der E-ID.

Doch ist das nicht ein Muster, das wir aus allen technologischen Umbrüchen kennen? Niemand zwingt uns heute, das Internet zu nutzen – und doch wäre es ohne Internet praktisch unmöglich, am gesellschaftlichen Leben vollständig teilzuhaben. Entwicklung bedeutet Veränderung, und Veränderung bedeutet Anpassung an neue Situationen. Die entscheidende Frage ist daher nicht, ob Wandel kommt, sondern wie wir ihn gestalten wollen. 

Sicherheit: Das unterschätzte Pro-Argument

Oft wird die E-ID mit Risiko gleichgesetzt. Doch die eigentliche Frage sollte lauten: Welche Risiken tragen wir heute schon, weil wir keine sichere digitale Identität haben?

Aktuell bewegen wir uns in einem Flickenteppich aus Passkopien, provisorischen Login-Systemen und unsicheren Formularen. Wer sich digital ausweisen muss, legt häufig mehr Daten offen, als notwendig wäre.

Die E-ID schafft hier einen strukturierten, sicheren Rahmen. Starke Verschlüsselung schützt die Datenübertragung, dezentrale Speicherung sorgt dafür, dass die Identität in der Hand der Nutzer:innen bleibt und rechtsstaatliche Absicherung garantiert klare Zuständigkeiten und Missbrauchsschutz. Damit wird die digitale Identität in vielen Fällen sicherer sein als die heute gelebte Praxis. 

Ein ehrlicher Blick nach vorne

Die Debatte über analoge Garantien ist wichtig, aber sie darf nicht isoliert geführt werden. Wer über Freiwilligkeit spricht, sollte auch hinterfragen, ob echte Teilhabe heute gegeben ist. Wer ein «Recht auf Analoges» einfordert, sollte auch ein «Recht auf Digitalisierung» respektieren. Und wer vor Risiken warnt, sollte ebenso die Chancen benennen, die ungenutzt bleiben.

Veronika Ludwig ist Vorstandsmitglied der Swiss Data Alliance und Juristin.

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